Dienstag, 7. Juni 2011

Aus dem Busch - kurz vor Shalqar (KZ)

Zuallererst möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich für all die lieben Geburtstagsgrüße und -wünsche bedanken, die mich via Email, SMS und hier per Blog erreicht haben! Wie schön, dass man auch im fernen Kasachstan nicht vergessen wird :-) Und damit ihr auch weiterhin fleißig an uns denkt, hier ein kleines Update - wieder via Handy-Mail.

Wie auch schon beim letzten Eintrag nutze ich die Zeit, in der uns Björn am Campingkocher ein leckeres Abendessen zaubert, um die verfahrenen Kalorien schnell wieder nachzuladen. Der heutige Radtag war - ohne übertreiben zu wollen - nahezu perfekt... Eine einsame und zwischendurch recht abenteuerliche Straße, eine wunderschöne Landschaft (erst hügelig, dann immer "steppiger"), ein wenig Rückenwind (umso schöner als gestern der Wind stark und steil von der Seite kam) und nun ein schönes, größenteils sichtgeschütztes Plätzchen, das eine ruhige Nacht gewährleistet. Hier in Kasachstan haben wir, wie es scheint, endlich die Chance, unsere Wildzelt-Fähigkeiten auszubauen ;-)

Seit dem letzten Blogeintrag haben wir 400 weitere km Gelegenheit gehabt, uns mit dem kasachischen Straßengegebenheiten vertraut zu machen. Straße oder Nebenstraße lautet hier die Gretchenfrage - und das heißt in diesem Fall: Müht man sich über die extrem abgerockte Asphaltstraße, die seit Jahrzehnten dem Verfall überlassen wurde? Oder entscheidet man sich für eine der diversen Sandpisten, die die Einheimischen links und rechts in die Steppe gegraben haben? Oft hat man die Wahl zwischen 4 oder 5 Wegen, die fröhlich nebeneinander herschlängeln. Tatsächlich kommt man so manches Mal auch auf den improvisierten Pisten überraschend gut voran (bei knapp 30 km/h entwickelt sich so ein echtes "Ralley-Feeling" ;-))

Hat man auf diese Weise einige km hinter sich gebracht, dann freut man sich nach Hitze und Staub, wenn man am Horizont eine Kaffebude auftaucht (mitnichten durch ein Schild ausgezeichnet, sondern zumeist daran zu erkennen, dass ein oder zwei LKW hier parken). Diese Buden sind sehr, sehr einfach und doch irgendwie charmant (für uns schon deswegen, weil sie unsere wichtigste Anlaufstelle sind, um unsere Wasser- und Brotvorräte aufzustocken). Vor dem "Hauptraum", in dem 2-3 Tische stehen, gibt es immer eine Art improvisiertes Waschbecken (statt Wasseranschluss, wird hier geschöpft). Ein weiteres Zimmer hält einen niedrigen Tisch bereit, an dem man traditionell auf dem Boden sitzend speisen kann. Das Angebot ist überall gleich: Borsch, Piroggen, ein paar kleine Gerichte mit Schaffleisch (Schwein ist hier aus religiösen Gründen auf keiner Karte zu finden) etc. Und die Preise sind erfreulich fair (z.B. mein Geburtstags-Mittagessen: Tee, Kaffee, 2 große Piroggen, 2 Suppen, Brot, 1 l Cola, 3 große Flaschen Wasser für 1.100 Tenge = knapp 6 Euro).

Nachdem wir uns 4 Tage lang ausschließlich über diese Büdchen versorgt haben, waren wir vorgestern dann tatsächlich auch mal in einer echten Stadt (Kandagasch) mit einem richtigen Supermarkt (es ist ungaublich, welche Glücksgefühle gefüllte Supermarktregale schon nach so wenigen Tagen auslösen können - es lebe der Konsum! ;-)). In Kandagasch haben wir dieses Mal erfreulich schnell eine Unterkunft gefunden
- dank der Hilfe eines jungen Kasachen, Dauren (irgendwo hier im Bild links neben Björn zu sehen), der nicht nur unglaublich hilfsbereit war, sondern dazu - Glück für uns - auch noch ausgezeichnet englisch sprach. Dauren hat uns von der Straße aufgelesen, uns den Weg zum Hostel und später auch noch die Stadt gezeigt hat - und uns abschließend auch noch zum Essen eingeladen. So hatten wir auch einmal die Gelegenheit, ein echtes kasachisches Restaurant zu sehen (Tatsächlich würden die Kasachen aber fast ausschließlich selbst kochen und zu Hause essen, so Dauren, und nur zum Trinken her kommen. Entsprechend war die Speiseauswahl praktisch die gleiche wie an den Kaffeebuden - umgesetzt allerdings auf einem deutlich höheren Niveau ;-))

Nach einem kurzen Schreck am nächsten Morgen (unsere Räder waren weg - Schock!! - statt geklaut worden zu sein, hatte die Hostel-Frau die Räder aber nur in ihr Schlafzimmer gebracht... so waren wir zumindest blitzschnell hellwach ;-)) haben wir dann mit Kandagasch unseren nördlichsten Punkt Kasachstans hinter uns gelassen (ein Umweg, der in erster Linie der - sagen wir mal - recht bescheidenen Straßenauswahl geschuldet war). Nachdem es im Norden tatsächlich den ein oder anderen Baum zu bestaunen gab, machen sich Flora und Fauna Richtung Süden nun wieder klein. Letztere wird seit 2 Tagen dominiert von Grashüpfern (Millionen - mindestens!) und einem Tier, das aussieht wie ein Erdmännchen mit Übergewicht. Über uns und den Kleinviechern kreisen derweil Raubvögel, die wir mit unseren sehr rudimentären ornithologischen Kenntnissen aufgrund der imposanten Größe (erstmal) als Adler identifiziert haben.

Es gibt also viel zu sehen - und da die Autos wieder mit jedem km weniger werden (aktuell ein bis zwei pro Stunde), haben wir auch genug Zeit zu gucken (ok - wenn wir uns trauen, unsere Aufmerksamkeit wenige Sekunden von der Straße abzuwenden...). Morgen dürfte es dann noch einsamer werden: Hinter Shalqar, das wir morgen Mittag erreichen sollten, werden wir uns auf einer "mysteriösen" Route Richtung Aralsk durchschlagen. Mysteriös, weil niemand so 100%ig zu wissen scheint, ob auf der Straße ein Durchkommen möglich ist. Da die Alternative aber 150 Extra-km und sicher auch mehr Verkehr bedeutet, werden wir es mal darauf ankommen lassen (ich bin jetzt schon gespannt, ob in diesem Kontext im nächsten Blog-Eintrag die Floskel "bitterlich bereuen" eine Rolle spielen wird ;-)))

Euch allen einen schönen Abend (aktuell sind wir euch 3 Stunden voraus - auf den nächsten 250 km kommt irgendwo noch eine Stunde dazu)!

Tina & Björn

4 Kommentare:

  1. Dear you two, we are very impressed by your strenght!!! As far as I can see on Google Maps, this mysterious road are just little dirtroads accompanying the railway from Shalqar to Aralks, connecting little villages called Kompola, Togiz, Shilitly, Karashokat, Shokysy, Saksaulsky (little bigger, maybe stop for a chai?), Terbenbes and Kontu. When you get to tired, you can probably just hop on the train ;-). Love and take care, Ube & Nicole.

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  2. Hey Ho,
    also momentan sieht euer leben sehr sehr viel spannender aus als meines :)

    Liebe Grüße
    Ronja

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  3. Hei Ihr Lieben, auch von uns ein herzlicher Geburtstagsgruß nachträglich an Tina =8-) Aus dem spannenden Reisebericht schließen wir, dass es Euch dort recht gut gefällt. Auf dem Satelitenbild sieht die Gegend nicht so gut aus, wie auf Euren Bildern. Wir haben schon gerätselt, wo es denn Wasser für Euch gibt. Nun sind wir jedoch beruhigt. Also weiterhin viel Glück und möglichst keinen Plattfuß auf der Kette ;-)

    Grüße
    Ilona & K.-H.

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  4. Kölsche Mädels8. Juni 2011 um 22:44

    Bericht von der Mädelsfront:
    Wir müssen nicht in die kasachische Steppe fahren, um ein tierisch, bestialisches Naturschauspiel mitzuerleben.
    Nein wir saßen sowohl in der Loge als auch in der ersten Reihe. Hauptdarsteller: Mamai und eine uns unbekannte namenlose Taube (zukünftig kurz Opfer genannt).
    Eingeleitet wurde das Schauspiel mit einem grazielen, aber kraftvollen Sprung des Hauptdarstellers mit dem Opfer im Maul über eine 3 Meter hohe Mauer in den Garten. Die Reaktionen der Zuschauer: Hund eins- zog sich nach anfänglicher Euphorie aufs Sofa zurück, Hund zwei- holte sich eine blutige Nase, Frau Bärchhaim- traute sich nicht am Geschehen vorbei und flüchtete durch Fenster ins Innere, Mutti- vom Mitleid geschüttelt versuchte das Opfer noch zu retten, Püppi- entpuppt sich als coole Kommentatorin des Ganzen, während Vatti sensationslüsternd zu allen verfügbaren Geräten greift um das Spektakel aufzuzeichnen ohne das Weinglas aus der Hand zu geben. Der dreiviertelstündliche Kampf endete für das Opfer in einer blauen Platiktüte. R.i.P.
    Du siehst uns wird es nicht langweilig und wir stoßen fleißig auf Euch an.
    Bussi aus Ehrenfeld.

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