Samstag, 3. September 2011

Ausgebremst...


Eine lange Woche haben wir in Zhengzhou auf unsere Visaverlaengerung gewartet. Kaum hatten wir diese in unserer Tasche (bzw. in unseren Paessen) haben wir uns gestern flugs auf unsere Raeder geschwungen und uns mit grossen Zielen Richtung Sueden aufgemacht.

Gekommen sind wir exakt 40 km weit.

Dann der Crash. Ich rutsche an der Strassenkante ab, fliege ueber den Lenker und mache eine sehr harte Bauchlandung auf dem Asphalt. Das (komplett beladene) Rad landet deutlich weicher - naemich auf mir. Nachdem wir ja bereits ausschweifend von den chaotischen Verkehrsverhaeltnissen berichtet haben, wuerde es sich anbieten, die Schuld fuer diesen Sturz irgendeinem chaotischen Roller- oder Busfahrer in die Schuhe zu schieben, der ueberraschend in vierter Reihe ueberholt hat. Leider muss ich gestehen, dass allein ich bzw. ein kuerzester Augenblick der Unaufmerksamkeit Schuld an dem Crash sind.

Bjoern (der hinter mir gefahren ist und somit sehr unfreiwilliger Augenzeuge des Ganzen wurde) graebt mich unter dem Rad und den Taschen aus und ich sitze nach Atem ringend an der Strasse. An Aufstehen ist nicht zu denken: Mein linker Oberschenkel hat eine boese Quetschung/ Prellung erlitten und ist an der blutend-aufgeschuerften Stelle regelrecht eingedrueckt. Auch der linke Arm und der linke Knoechel sind sichtlich angeschlagen. Zuerst werden wir und unser Dilemma von den Anwohnern rund 10 Minuten lang neugierig beobachtet, ohne dass jemand auch nur einen Finger kruemmt, um uns zu helfen. Dann sammeln sich die ersten guten Geister und binnen weiterer 10 Minuten hat Bjoern Raeder und Gepaeck auf einem Hof abgestellt und zwei Chinesen fahren uns zum naechstgelegenen Krankenhaus.

Abgesehen davon, dass dieser Ort nichts, aber auch gar nichts mit einem deutschen Krankenhaus gemein hat, ist der erste Eindruck positiv. Ein Arzt (?) drueckt an meinem Bein rum, desinfiziert und verbindet die Wunden. Dann ein kleiner Aufruhr. Knapp 10 Chinesen stroemen in das Krankenzimmer und jeder redet aufgeregt auf den anderen ein. Es dauert eine halbe Stunde und viele Telefonate mit Menschen, die angeblich Englisch sprechen und uebersetzen koennen, bis Bjoern das "Problem" eruiert hat: Der Arzt moechte mir zwei Spritzen geben (wir koennen nur mutmassen, dass es sich hierbei um Tetanus und ein Schmerzmittel handelt...), die pro Stueck 10 Yuan (knapp ueber ein Euro) kosten und vorab bezahlt werden muessen. Ok, kein Thema. Fuer die Gesundheit schrecken wir auch vor solch betraechtlichen Investitionen nicht zurueck. Und da es sich um Original-verpackte Einwegspritzen handelt, sind wir (ich ;-)) bereit, das Wagnis einzugehen.

Nach einem weiteren Kunststueck der zwischenmenschlichen Kommunikation via Hand, Fuss und Handy-Uebersetzungsprogramm ist klar, dass der Arzt gerne Knie und Oberschenkel roentgen wuerde. Der Preis hierfuer belaeuft sich auf unglaubliche 30 Yuan (nur zum Vergleich einmal im Big Maec-Index gerechnet: Das entspricht hier in China in etwa 1,25 Big Maec-Menues... also auch fuer die Chinesen offensichtlich ein durchaus tragbarer Preis). Nachdem dieser Vorschlag von uns fuer gut befunden und ich im Rollstuhl ueber den Hof geschoben wurde, macht eine wild gestikulierende Krankenschwester (?) klar, dass das Roentgengeraet ausgefallen ist. Spontan werde ich in einen Krankenwagen komplimentiert (dessen Vergleich mit einem deutschen Krankenwagen wenn ueberhaupt noch mehr hinkt als der zwischem einem chinesischem und einem deutschen Krankenhaus), die Tuer wird hinter mir zugeschlagen und los gehts. Ohne Bjoern, der ebenso ueberrascht wie ratlos zurueckbleibt.

Aber alles scheint seine Richtigkeit zu haben und nach dem Roentgen (wie zu erwarten ohne irgendeine Form von Sicherheitsmontur/ Bleiweste) werde ich zurueck ins erste Krankenhaus gefahren. Hier kriegen wir nun die schoene Nachricht, dass alle Knochen ganz sind :-) Nach der frohen Botschaft, dass ich zwar nicht mehr laufen kann, dieser Zustand aber offensichtlich reversibler Natur ist, koennen wir uns mit profaneren Problemen beschraeftigen. So z.B.: Was nun? Da nicht davon ausgehen ist, dass ich binnen kuerzester Zeit wieder fahrrad-fit bin, hilft eigentlich nur eines: Zurueck nach Zhengzhou und von dort aus einen Zug bzw. Flug nach Sueden suchen ("dank" der unfreiwilligen Unterbrechung ist die Strecke an die naechste Landesgrenze im Rahmen der Visa-Zeit mit dem Rad nicht zu schaffen). Mit noch mehr Haenden, Fuessen und Handy-Kommunikation kommen wir zu einem Van + Fahrer, der uns fuer 200 Yuan zurueck zu unserem Ausgangsort faehrt. Was fuer ein Tag...

Nach dieser sehr detailreichen Geschichte koennten wir nun eine ebenso intensive Schilderung des heutigen Tages folgen lassen. Darueber z.b. dass immer noch keine Zug-Tickets zu bekommen sind (erst ab Oktober!!). Oder dazu, dass die einzige Fluglinie, die fuer uns in Frage kommt, keine Raeder (bzw. keine Pakete entsprechender Groesse) transportiert. Dass die einzige Alternative darin besteht, die Raeder per Post zu schicken. Aber das ersparen wir euch besser. Genug Details fuer heute ;-)
Nur soviel: Wenn alles gut geht, dann starten unsere Raeder morgen per Post und wir am Dienstag mit dem Flugzeug nach Guilin. Dort werden wir dann schauen, ab wann ich wieder humpelfrei und radtauglich bin. Und dann machen wir neue Plaene ;-)

Es senden euch herzlichste Gruesse

eine angeschlagene Tina und ein Fahrradverpackungs-genervter (siehe Foto) Bjoern

8 Kommentare:

  1. Mensch du machst Sachen :-( Hoffe es geht schnell wieder besser :-)

    AntwortenLöschen
  2. Also ehrlich, erst das Photo von dir im Krankenhaus in den Blog zu stellen und dann erst die Geschichte zu erzählen geht gar nicht! Ist ja wohl aber doch noch ganz gut ausgegangen. Also gute Besserung! Und Augen auf im Strassenverkehr!

    AntwortenLöschen
  3. Au weh!!! Das hat uns ja doch ganz schön erschreckt. Beim ersten Anblick erwarteten wir schon das aller Allerschlimmste. Gott sei Dank alles halbwegs in Ordnung. Wir wünschen Dir gute Genesung und einen schnellen Heilungsprozess.

    ... möge die Übung gelingen

    Ilona & Karl-Heinz

    AntwortenLöschen
  4. Ouch! Gute Besserung, weiterhin die nötige Ruhe und Humor für eure nächste Etappe wünscht Tobi

    AntwortenLöschen
  5. Gute und schnelle Besserung wünscht Familie Oldehus! Auf das ihr schnell wieder auf eure Räder kommt.
    LG

    AntwortenLöschen
  6. UUUUUuuuuiiiiii! Welch Schreck!
    Auch von uns gaaaaaanz doll GUTE BESSERUNG!!! Ich drück dich ganz vorsichtig und puuuuuuste!
    GlG

    AntwortenLöschen
  7. Ihr Lieben,
    oh nein, aber trotzdem gerade nochmal "Glück im Unglück"...?! Wie gemein - aber passt auf Euch auf! Nicht, dass jetzt noch ein Straßenköter in die Wade beißt oder so... Bei mir auch gerade kein Sport möglich, kleine Wunde am Hinterkopf. Nervt auch etwas.

    Virtuelle Energie von Anne

    AntwortenLöschen
  8. Stell dich nicht so an, was dich nicht umbringt, macht dich nur härter! Nur die Harten kommen ans Ziel, wie war das Ziel nochmal?
    Nach 4 Wochen Mädelspause (Menopause sozusagen) sitzen wir nun zum 1. Mal in Mülheim - Frau Bärchhaims neuem Wohndomizil bei den Muchels... Mutti wird dem Walross immer ähnlicher, Püppi datet am laufenden Band und tourt unentwegt durch die Welt- na gut, nur Europa... und Frau Bärchhaim erprobt den neuen Titel "Frau Muchelheim"...
    Wir wünschen gute, schnelle Besserung für ein zügiges Weiterkommen, haltet die Ohren steif und passt besser auf euch auf!

    AntwortenLöschen