Donnerstag, 26. Mai 2011

Raus aus Russland

Haben wir uns am Montag noch gefragt, wie wir die lange Zeit bis zum Start des Kasachstan-Visums ueberbruecken sollen, geht jetzt alles doch sehr schnell. Tatsaechlich machen wir uns nun schon morgen auf dem Weg zur Grenze. Wie das geht? Ganz einfach. Obwohl... einfach ist vielleicht auch das falsche Wort. Wie sich herausgestellt hat, haben Heidi und Bernd sich nicht nur wegen unserer netten Gesellschaft auf den Weg nach Astrakhan gemacht, sondern vor allem weil es hier ein kasachisches Konsulat gibt. Als wir davon hoerten, haben wir die Gelegenheit gleich beim Schopfe gepackt und sind mit ins Taxi gesprungen, um uns im Konsulat zu erkundigen, ob es nicht doch irgendeine Moeglichkeit gibt, unser Visum eine Woche vorzuziehen.

Den Weg zum Konsulat zu finden, war noch eine Sache (um eine Taxilizenz in Astrakhan zu bekommen, scheint eine genaue Kenntnis des hiesigen Strassennetzes keine zwingende Voraussetzung, ebensowenig im Uebrigen wie eine Kenntnis der Verkehrsregeln). Der eigentliche Spass begann, sobald wir Schlagbaum und Wachmaenner des "Diplomatenviertels" hinter uns gelassen hatten (Wer sich noch an das "Haus, das Verrueckte macht" aus Asterix erinnert, mag sich in etwa vorstellen koennen, was nun folgt)... Der junge Mann im Konsulat erklaert uns zunaechst ein Vorziehen des Visums sei nicht moeglich, ebenso wie Heidi und Bernd aber koennten wir ein neues beantragen, das dann innerhalb von zwei Tagen fertig sei. Das sei alles ueberhaupt kein Problem. Mit einem Visumsantrag und der Aufgabe Passfotos und -kopien zu besorgen, komplimentiert er uns hinaus. Um 15 Uhr koennten wir wiederkommen. Wir fahren zurueck ins Hostel, kopieren, fuellen den Antrag aus und fahren am Nachmittag wieder mit dem Taxi zum Konsulat. Dort kriegen wir einen zweiten Antrag, der ebenfalls ausgefuellt werden muss. Um dem ganzen Procedere etwas mehr Wuerze zu geben, gibt es den Antrag a) ausschliesslich auf Russisch bzw. in kyrillischer Schrift und b) nur in einer Ausfuehrung. Wir sollen uns jemanden suchen, der uebersetzt und uns selbst um die fehlenden drei Kopien kuemmern. Und nicht zu vergessen in die Innenstadt zur Bank fahren, um dort das Geld fuer den Antrag einzuzahlen. Das Konsulat hat bis 18 Uhr geoeffnet, am Folgetag ist wegen eines kasachischen Feiertags geschlossen. Damit die ganze Aktion noch Sinn macht, muessen wir uns also sputen.

Hier kommt uns der Zufall bzw. die Security zur Hilfe. Einer der Wachmaenner, der einem russischen Kriegsfilm der 80er-Jahre entsprungen zu sein scheint, bekommt mit, dass wir ein Taxi brauchen. Nach einer kurzen Rueckmeldung im Wachhaeuschen geleitet er uns zu seinem Lada und faehrt uns in die Stadt. Waehrend wir in der Bank das einigermassen zeitaufwaendige Einzahl-Procedere hinter uns bringen und die benoetigten Kopien machen, wartet er und faehrt uns anschliessend - nicht ohne kurze Erlaueterungen zu den architektonischen Hoehepunkten der Stadt - zurueck zum Konsulat. Wir raetseln die halbe Fahrt, was uns dieser Ausflug wohl kosten wird, und die Antwort lautet: nichts. Die Hilfsbereitschaft wildfremder Menschen laesst uns mal wieder staunen.

Staunen sehen wir auch im Blick unseres Ansprechpartners im Konsulat. So schnell hatte man uns wohl nicht zurueckerwartet. Und nachdem dann auch noch der Leiter des Konsulats auftaucht, um uns mit einem "Willkommen Genossen!" zu begruessen und dann in exzellentem Deutsch mit uns zu plaudern, ist ploetzlich alles ganz einfach. Nach nunmehr insgesamt vier Konsulats-Besuchen koennen wir nicht nur den Taxifahrern den Weg erklaeren, wir sind auch im Besitz eine kasachischen Visums, das ab sofort gueltig ist. Offen ist damit nur noch eine Frage: Wie reagieren die kasachischen Grenzer auf einen Pass, der nicht nur ein, sondern gleich zwei Kasachstan-Visa enthaelt. Wir werden euch berichten ;-))

Durch das wilde Hin- und Her zwischen Hostel, City und Konsulat entwickeln wir in kuerzester Zeit ein umfangreiches Know how im Umgang und Handel mit den heimischen Taxifahrern.
Wir kennen nicht seinen Namen, aber seine Mission ist eindeutig: Nothilfe fuer Besucher des kasachischen Konsulats.
Abendliche Runde auf der Hostelveranda: Alexandr (ganz links), zwei seiner Kumpel, Bjoern, Bernd, Heidi und (nicht unmittelbar im Bild) viele viele Muecken.

Bjoern beginnt sich heimisch zu fuehlen und geniesst den Wodka in vollen Zuegen.

Astrakhan: Mal recht aufgeraeumt, ....
... mal weniger.
Fuer heute heisst das: Sachen packen, viel zu essen einkaufen und einen vorerst letzten Abend mit Heidi & Bernd auf unser Hostel-Veranda verbringen. Dann kehren wir dieser Stadt, die zu 50% aus heisser Luft und Muecken besteht, den Ruecken. Aus Kasachstan wollen wir uns natuerlich so oft es geht melden, aber noch ist kaum absehbar, wie oft wir dort ins Internet kommen werden. Aber wir geben uns groesste Muehe - versprochen!

Zerstochene und zerfliessende Gruesse schicken euch

Tina und Bjoern

Montag, 23. Mai 2011

Astrakhan (RUS)

Knapp eine Woche und rund 600 km spaeter: Wir sind in Astrakhan, unserem Grenzpunkt zu Kasachstan, und das zwei Wochen, bevor unser Visum startet. Wir werden uns also noch was einfallen lassen muessen, um uns hier anstaendig zu beschaeftigen (@ Janni: Leider ist kein Strand in unmittelbarer Naehe ;-)). Aber soviel wie sich in der letzten Woche ereignet hat, koennte ich mich auch jeden Tag hier in das kleine Internet-Cafe der Post setzen und euch von unseren Erlebnissen berichten. Um es kurz zu machen: Langweilig geworden ist uns nicht...

Nachdem wir in Stravropol noch einen weiteren Ruhetag verbracht haben, sind wir am letzten Dienstag Richtung Kalmueckien gestartet. Nach ueber 130 km war endlich unser Zielort in Sicht und dort nahm dann das uebliche "Gastiniza"-Such-Drama seinen Lauf: Das erste Hostel, gross und brandneu, war geschlossen. Das zweite ausgebucht (??? nur zu Erinnerung - das war ein kleiner Ort mitten in der Pampa). Aber die Dame im Hostel telefoniert fuer uns rum, findet einen anderen Platz fuer uns, der allerdings so versteckt liegt, dass sie uns den Weg nicht erklaeren kann (wie ueblich: sie spricht kein Englisch und unser Russisch stagniert im bisherigen Basis-Vokabular). Also ruft sie ihren Mann an, der prompt angefahren kommt, um uns den Wegweiser zu machen (sprich er heizt mit dem, was er fuer ein fahrradfreundliches Tempo haelt durch den Ort, und wir versuchen nach einem langen Radtag irgendwie dranzubleiben). In der naechsten Gastinza gibt es nicht nur ein bezahbares Zimmer fuer uns, die Besitzerin laedt uns nach einem mitleidigen Blick auf unsere Essensvorraete (Brot, Kaese, Kekse) erst einmal zu einer leckeren Suppe ein.

Stavropol: "Grosse" Kunst - im wahrsten Sinne des Wortes.

In Stavropol muss man sich aus irgendwelchen Gruenden immer vor Blumen fotografieren lassen. Hier das Foyer unseres Hotels (das deutlich, sehr sehr deutlich luxurioeser ausfaellt als die Zimmer).
Am naechsten Tag wieder eine lange Strecke (140 km): Wetter und Gegend werden immer schoener als wir die "Grenze" zur Republik Kalmueckien erreichen. Angekommen in der Hauptstadt Elista sind wir dann doch sehr ueberrascht, wie fundamental der Unterschied zwischen Russen und Kalmuecken ist. Beinah waehnen wir uns in der Mongolei bei all den asiatischen Gesichtszuegen. Dazu kommen Pagodendaecher, Buddhafiguren und die ueberaus angenehme, heitere Gelassenheit der Kalmuecken. Die sind zwar aehnlich neugierig wie die Russen, laecheln dabei aber immerhin unentwegt ;-)) 
"Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter!" (Buzz Lightyear)
Wir stellen uns langsam auf die kasachsichen Weiten ein.
 
Kurzer Stopp an der kalmueckischen Grenze.
In Elista lernen wir beim Einchecken ins Hotel Heidi und Bernd kennen. Die beiden sind vor drei Wochen zu ihrer voraussichtlich 2-jaehrigen Weltumrundung gestartet (die 2. im Uebrigen ;-)). Dabei setzen sie aber auf etwas mehr PS als wir....
 
Zwei Thueringer auf grosser Tour: Heidi und Bernd.


Im direkten Vergleich nehmen sich unsere sonst so wuchtig wirkenden Raeder irgendwie klein und zerbrechlich aus.
Von Elista aus, wo wir einen sehr netten Ruhetag und zwei noch nettere Abende mit Heidi und Bernd verbringen (endlich mal wieder deutsch sprechen ;-))), geht es dann auf unsere erste laengere Strecke ins Nirgendwo, fuer die wir uns nun auch endlich aufs Wildzelten einstellen muessen. Die kalmueckische Steppe scheint sich endlos zu dehnen und zum ersten Mal seit Patagonien sehen wir ihn wieder, diesen schon fast unnatuerlich ueberdimensionierten Himmel, der das gesamte Blickfeld einnimmt und der Landschaft kaum noch Platz laesst. Schoen...
 
So ein schoener Himmel kann gar nicht gross genug sein.

Schafe und Rinder sind ueberall: Man trifft sie beim Baden....

... ebenso wie beim Tanken.
Obwohl wir im Vorfeld mehrfach gehoert hatten, dass es auf der Strecke Jelista - Astrakhan keine Unterkuenfte gebe, finden wir am Ende unserer ersten Etappe in einem kleinen Ort, dessen einzige Existenzberechtigung in der Verkostung und im Amusement von LKW-Fahreren zu liegen scheint, ein Zimmer. Das soll unglaubliche 350 Rubel kosten. Ein Zimmer in Russland fuer weniger als 9 Euro? Wir koennen unser Glueck kaum fassen und sind durchaus bereit, hierfuer einiges an Komfort-Einbussen hinzunehmen. Tatsaechlich stellt sich im Weiteren heraus, dass das Klo nicht nur nicht im Zimmer und nicht im Gang, sondern nicht einmal im gleichen Haus ist. Nein, wir muessen 200m weiter zum Klohaeuschen laufen, wo ein Besuch fuer guenstige 10 Rubel (25 Cent) zu haben ist. Das nenne ich mal "authentisch reisen" ;-))

Idyllische Unterkunft inmitten von wild parkenden LKW.

Pause in einer impovisierten Kaffeebar, die in einem altem Container aufgebaut wurde: Kartoffel-Piroggen und Cola staerken fuer die naechsten Kilometer.
Am Ende von Tag zwei unserer Steppentour gibt es tatsaechlich keine Unterkunft und wir suchen uns einen schoenen Platz, um unser Zelt aufzustellen. Die grosse Herausforderung liegt hierbei darin, einen Ort zu finden, von wo aus das Zelt von der Strasse nicht gesehen werden kann. Und das in einem groesstenteils topfebenen Land, das weder Baeume noch Buesche zu bieten hat. Aber wir haben Glueck, finden eine Bodenwelle, die Sichtschutz bietet - dummerweise ist das, was wir fuer einen halbvergessenen Feldweg halten, eine regelmaessig frequentierte lokale Strasse, so dass doch noch der ein oder andere Dorfbewohner auf uns aufmerksam wird. Aber man laesst uns in Ruhe und so schlafen wir...


Wie ging das nochmal? Nach 5 Wochen koennen wir endlich wieder unser Zelt aufbauen.
... bis zum Morgengrauen. Puenktlich zum Sonnenaufgang stehen wir auf, roedeln wir ab und machen uns nach einem kleinen Fruehstueck auf den Weg. Rekord: Um 7 Uhr frueh waren wir noch nie auf den Raedern. Und damit starten wir in den laengsten Radtag unserer bisherigen Reise-Historie. Die ersten 5 Stunden blaest uns wieder mal kraeftiger Ostwind ins Gesicht. Zu diesem Zeitpunkt haben wir den Plan, das 130 km entfernte Astrakhan zu erreichen schon aufgegeben. Wir kommen einfach zu langsam voran. Aber - grosse Ueberraschung - es ist ein Campingplatz ausgeschildert, der 20 km vor der Stadt liegen soll. Diesen erreichen wir mit viel Muehe, nur um festzustellen, dass sowohl Camping als auch die dazu gehoerige Gastiniza geschlossen sind. Die naechste Feststellung: Astrakhan ist nicht 20, sondern 30 km entfernt. Also mobilisieren wir die letzten Kraefte (nunmehr knapp 8 Stunden netto im Sattel), quaelen uns durch ebenso abgeranzte wie mueckenintensive Vororte und erreichen nach unserer ersten Wolga-Ueberquerung Astrakhan. Nur um dort festzustellen, dass alle Hostels, die wir auf unserem Plan haben, entweder inexistent oder geschlossen sind oder gerade renvoviert werden.

Es wird dunkel... und die Stimmung sinkt. Da haelt ein Mercedes neben uns, ein Mann steigt aus, stellt uns seine ebenfalls im Auto befindliche Familie vor und verspricht uns - auf die inzwischen altbewaehrte Methode  (s.o.) - uns zu einem Hostel zu lotsen. Also wieder eine Tempoeinheit am Ende des Tages. Das erste Hostel hat geschlossen und nun wirds komplizierter. Aber Alexandr, so der Name unseres Retters in der Not, packt einfach Bjoern ins Auto, faehrt mit ihm weitere Laeden ab. Nachdem sie fuendig geworden sind, kommen sie zurueck und Bjoern und ich fahren mit dem Rad zum Hostel, das wir schliesslich - nach 9,5 Netto-Stunden voellig geschafft erreichen. Dann muessen wir nur noch den ueblichen Registrierungswahnsinn (jede einzelne Seite aus unserem Pass wird kopiert, inklusive aller alten Suedamerika-Stempel - die Angst, einen Fehler zu machen und in der Folge seine Lizenz zu verlieren, scheint gross zu sein) hinter uns bringen und koennen uns endlich Dusche und Essen widmen...

Erste Astrakhan-Erkundungstour an der Wolga.
Fuer heute Abend hat uns Alexandr nun zu seinen Motorrad-Freunden eingeladen. Und wie es der Zufall will, sind auch Bernd und Heidi auf dem Weg nach Astrakhan (wenn der Hintergrund auch ein sehr aergerlicher ist, da sie nicht wie geplant ueber den Kaukasus ausreisen konnten). Wir sehen uns also einem lustigen Abend entgegen :-)

Euch allen einen schoenen Wochenstart!

Es gruessen aus dem irrsinnig heissen Astrakhan

Tina und Bjoern

Sonntag, 15. Mai 2011

Stavropol (RUS)

Da sind wir wieder - und endlich koennen wir euch auch wieder Bilder bieten. Das Hochladen der Fotos hatte sich an allen Rechnern, die wir zuletzt probiert haben, als unmoeglich erwiesen und schien auch heute wieder zu scheitern. Aber die Russen sind ja findig :-)) Nachdem sich die Kamera nicht anschliessen liess und wir nach einem Card Reader fragten, hat der Besitzer des Internet-Cafes schnell die hiesigen Card Reader-Preise gegoogelt und lief direkt los, um einen zu kaufen. Et voila - nun kommen wir endlich an unsere Fotos. Russischer Service :-)

Nachdem sich die letzten Eintraege in unserem Ringen mit der russischen Touri-Buerokratie erschoepft haben, waere nun so viel zu erzaehlen... Ich versuche es mal mit einer Kurzzussammenfassung der Erfahrungen unserer ersten Russland-Woche (und ahne schon, waehrend ich dieses schreibe, dass ich an dem "kurz" wie so oft scheitern werde).

Zuerst: Die Russen sind schon ein eigenes Voelkchen. Woei - wie ja auch schon das oben genannte Beispiel zeigt - es nicht an Hilfsbereitschaft mangelt. In jedem Fall kann man mit Fug und Recht sagen, dass die Menschen, die wir bisher getroffen haben, sehr sehr aufgeschlossen sind. Dummerweise grenzt diese Aufgeschlossenheit so manches Mal an Aufdringlichkeit. Unzaehlige Autofahrer kurbeln das Fenster runter, waehrend sie uns ueberholen und rufen uns das unvermeidliche "Otkuda?" (Woher?) zu. Eine der wenigen russischen Vokabeln, die wir inzwischen im Schlaf beherrschen. Und auf die wir sogar eine Antwort parat haben. Diese hat bei den Russen im Uebrigen schon so maches Mal spontane Begeisterung ueber unsere Heimat ausgeloest ;-)) Auf der Ueberfahrt von der Krim hat ein junger Mann, der kein englisch spricht, sich eigens unter den Passagieren eine "Dolmetscherin" gesucht und sich dann Bjoern geschnappt, um ihn ueber unsere Tour auszufragen. Der Arme fand sich dann von 15 Leuten umringt, die alles Moegliche wissen wollten (u.a. ob er mich heiraten moechte... ja, auch die Romantik kommt nicht zu kurz ;-).

Dieses Interesse ehrt uns natuerlich, aber manchmal wird es doch ein wenig viel. Vorgestern wurde Bjoern von einem Mofafahrer fast gerammt, der unbedingt mit uns sprechen wollte und dann wie wild auf uns eingeredet hat, er wolle uns in Russland willkommen heissen und uns ein Geschenk machen. Wir sollten unbedingt im naechsten Ort nach Viktor Ausschau halten. "You understand?" Ehrlich gesagt, nein. Wir waren froh, als wir weiterkamen. Als wir dann zwei Stunden spaeter in unserem Zielort fuer den Tag - mit dem schoenen Namen Novoaleksandsrowsk - ankommen, verfolgt uns wild hupend ein Auto. Viktor, der entschlossen ist, uns durch den Stadtverkehr zu lotsen. Mit Haenden und Fuessen machen wir ihm klar, dass wir vielmehr an einer Unterkunft interessiert sind, und so rasen wir ihm in der naechsten halben Stunde im stroemenden Regen hinterher, waehrend er uns zu den hiesigen "Gastinizas" geleitet.

Das ist natuerlich furchtbar nett, aber in dem Moment in dem man einem Wildfremden durch eine fremde Stadt hinterhetzt, auch ein wenig stressig. Aber wer weiss, wie wir ohne Hilfe zurecht gekommen waeren. Denn eine Uebernachtungsmoeglichkeit findet sich hier nicht so leicht. So hat uns das erste Hostel nicht aufnehmen wollen. Auslaendische Gaeste, die registriert werden muessen, waren wohl zuviel Aufwand. Die Buerokratie, die uns die ersten Tage hier ein wenig verleidet hat, scheint uns also weiterhin zu verfolgen.

Aber bald hat die Hostel-Sucherei ja ohnehin ein Ende. Denn weit ist es nicht mehr bis in die Gegenden, in denen wir mit dem Zelt auf uns gestellt sind. Und das kommt uns auch sehr entgegen ;-)) (nicht zuletzt, weil die Hotelpreise in Russland geradezu astronomisch sind...) Noch machen es uns das Wetter und die extreme landwirtschaftliche Bebauung schwer, aber beides duerfte in Kalmueckien - das wir in 3-4 Tagen erreichen sollten - campingfreundlicher werden.

Nun aber die versprochenen Bilder...

Nur eine kurze Faehrfahrt trennt die Krim von Russland. Bevor es losgeht, beobachten wir die Besatzung dabei, wie sie sich ihr Mittagessen angelt.



In Russland angekommen, werden wir bereits binnen der ersten 10 km von einem Grenzer mit Kalaschnikow kontrolliert (davon gibt es leider kein Bild :-)) Danach geht es weiter am Asowschen Meer lang.
Der "Tag des Sieges" in Krasnodar: Viele viele Menschen draengen sich durch sehr wenig Metalldetektoren.

Um die Parade tatsaechlich zu sehen, sind wir zu spaet. Fuer uns gibt es nur noch die Rueckenansichten zu bewundern (und lustige Accessoires wie Luftballons in Panzerform).

Der 9. Mai - hier ein "Werbeplakat" fuer den Feiertag - ist auf jeden Fall eine Riesensache in Russland: Jede Stadt haelt Paraden ab, vorher werden noch schnell die Buergersteige gestrichen (kein Scherz!!) und eine Woche lang gibt es im Fernsehen ausschliesslich Kriegsfilme zu sehen...

Wir sind derweil etwas abgelenkt von der Bewaeltigung buerokratischer Huerden. Hier sitze ich in der (sehr abgeranzten) Amtsstube, wo uns schlussendlich die Immigration Card nachtraeglich ausgestellt wird.
Danach muessen wir uns nur noch mit dem russischen Wetter rumschlagen (@ Julia: Vielleicht doch besser eine Anti-Regen-Petition? Am besten in Verbindung mit einem Ostwind-Verbot...)

Aber wir lassen uns nicht aufhalten :-) Und erreichen unseren aktuelle "Heimat": Stavropol.
Zur Belohnung gibt es einen feinen Teller Borsch fuer Bjoern.

Soweit die Nachrichten aus Russland. Morgen geht es wieder auf die Raeder - auf nach Elista. Und dann lautet das naechste Ziel schon Astrakhan. Dort haben wir dann, weil wir aktuell sehr gut, fast zu gut, in der Zeit sind, mindestens eine Woche Luft, bevor wir uns an Land 8 wagen.

Alles Liebe!

Tina und Bjoern

Dienstag, 10. Mai 2011

Illegal in Russland: des Einreise-Dramas zweiter Teil

Und der faellt gluecklicherweise deutlich kuerzer aus :-))

Puentklich um 14 Uhr tauchte wie vesprochen die Dame (nun ja, sagen wir ein Maedel) von der Migrationsbehoerde auf. Die hat uns und unsere Paesse dann durch die Stadt gefuehrt (bzw. wir sind ihr hinterher getrottet) zu einem kleinen, abgenutzten Haeuschen (oder sagen wir hier besser: Baracke) neben dem Friedhof. Gut, dass wir uns nicht wie urspruenglich angedacht, alleine auf den Weg gemacht haben. Wir haetten an dieser Stelle sicher keine staatliche Einrichtung vermutet und waeren wieder umgekehrt.

Langer Rede, kurzer Sinn: Nach 20 Minuten Wartezeit, ein paar Passkopien und Unterschriften wurde uns endlich das ersehnte (und in der Realitaet aeusserst unspektakulaere) Stueck Papier ausgehaendigt. Geschafft! Jetzt sind wir wieder so legal wie wir nur sein koennen (und koennen uns den hier ohnehin zum Scheitern verurteilten Versuch sparen, maximale Unauffaelligkeit an den Tag zu legen - niemand, absolut niemand, traegt hier Trecking-Klamotten... :-))

Die versprochenen Ausfuehrungen unserer ersten Russland-Eindruecke lassen wir folgen, wenn wir endlich einen Rechner finden, der unsere Kamera erkennt.

Erleichterte Gruesse schicken Euch

Tina und Bjoern


Illegal in Russland: ein Einreise-Drama

Erstens: Es ist alles gut.

Zweitens: Das sah vorgestern, gestern und noch vor einer Stunde ganz anders aus.

Aber von vorne: Kertsch war huebsch (Ueberraschung ;-)), die Fahrt zu unserer Fahere unkompliziert. Ebenso die Ausreise aus der Ukraine. Vor der Einreise in Russland, die im Anschluss an die kurze Ueberfahrt folgte, hatten wir uns durchaus den ein oder anderen Gedanken gemacht. Hat mit dem Visum nun alles seine Richtigkeit? Oder koennte es doch noch irgendwelche Probleme mit der Einladung geben, die man braucht, um nach Russland einzureisen? An der Grenze selbst wurden wir - wie auch alle anderen - dann sehr sorgfaeltig kontrolliert. Die Taschen wurden durchleuchtet, die Unterboeden der Autos anderer Reisende mit Spiegeln geprueft, Motorhauben geoeffnet etc. Unser Visum schien nicht eben Tagesgeschaeft fuer die beiden Damen an der Grenze zu sein, aber schlussendlich bekamen wir unseren Stempel und alles war gut. Unsere Frage, ob wir denn nicht noch ein zusaetzliches Dokument braeuchten (wie wir es aus anderen Nicht-EU-Laendern kannten), wurde verneint.

So weit - so gut. Dachten wir... zumindest knapp 24 Stunden lang. Nach einer Uebernachtung in einem kleineren Ort (Temrjuk) beschlossen wir am Folgetag (Sonntag) eine groessere Strecke zu treten - um rechtzeitig zu den Feierlichkeiten am 9. Mai in Krasnodar und damit in einer groesseren Stadt (rund 700.000 Einwohner) zu sein. 150 Kilometer (neuer Streckenrekord ;-)) spaeter suchen wir einigermassen geplaettet nach einem Hostel - und stellen mit zunehmender Bestuerzung fest, dass uns niemand eine Unterkunft geben will. Der Grund: Uns fehlt die so genannte Immigration Card. Hotels in Russland sind verpflichtet, ihre auslaendische Gaeste beim Foederalen Migrationsdienst zu registrieren und hierzu ist die Immigration Card, die man bei der Einreise bekommt, notwendig. Wie sich in den vergangenen beiden Tagen herausgestellt hat, ist diese Karte quasi fur alles Voraussetzung: um ein Zimmer zu buchen, einen Wagen zu mieten oder aber um sich im Zweifelsfall vor der Polizei auszuweisen. Mehr noch: Sobald wir damit rausrueckten, dass wir zwar ein gueltiges Visum und einen Stempel im Pass (!), aber keine Immigration Card haben, wurden wir mit boesem Blick schnellstmoeglich der jeweiligen "Lobby" verwiesen. Als sei allein unser kurzer Aufenthalt dort schon Anlass zur Sorge fuer die Verwaltung.

Todmuede und minuetlich angespannter fahren wir durch Krasnodar und landen am Schluss im (gefuehlt?) teuersten Hotel der Stadt: 4.500 Rubel (ueber 110 Euro) pro Nacht. Aber das ist der einzige Laden, der uns Unterschlupf gewaehrt. Am gleichen Abend rufen wir die Deutsche Botschaft in Moskau an, wo man uns darauf verweist, dass die Immigration Card zwar sehr sehr wichtig sei, man aber heute (Sonntag) ebenso wie am Folgetag (Tag des Sieges) nichts fuer uns tun koenne, da alle Behoerden geschlossen seien. Aber da wir ja eine Unterkunft haetten, sei die Lage ja nicht allzu dramatisch und am Dienstagmorgen wuerde sich ein Kollege bei uns melden. "Halten Sie sich einfach von der Polizei fern. Und geniessen Sie den Feiertag!", gibt man uns noch mit auf den Weg. Leichter gesagt als getan. Da wir uns ohne Immigration Card nicht wirklich legal im Land aufhalten und zudem nicht sicher sind, ob wir ohne ausreisen koennen, sind wir mehr als angespannt. Und sauer, sehr sehr sauer, auf die beiden Damen von der Grenze.

Heute frueh dann endlich der Anruf der Botschaft. Wir sollen zurueck zur Grenze, uns nachtraeglich die benoetigten Unterlagen ausstellen lassen. Waehrend die Botschaft versucht, die Grenzer zu erreichen, um denen die Situation zu erklaeren, machen wir uns schlau, wie wir wahlweise per Bus oder Mietwagen (ohne Immigration Card nur bedingt mietbar... ein Teufelskreis) zurueck zu unserem Einreisepunkt kommen (zwei lange Tagesetappen mit dem Rad). Dann sitzen wir drei Stunden neben dem Telefon und warten....

11 Uhr: Es klingelt. Endlich! Die Botschaft. Mit guten Nachrichten. Wir koennen in Krasndoar selbst eine Ersatzkarte bekommen. Der Foederale Migrationsdienst nimmt Kontakt mit unserem Hotel auf und man schickt jemanden, um unsere Antraege abzuholen. Dieser Jemand soll hier um 14 Uhr ankommen (fuer euch um 12 Uhr - wir sind inzwischen auf Moskauzeit und euch 2 Stunden voraus). Wir gehen dann direkt mit, um das begehrte Dokument schnellstmoeglich in den Haenden zu halten. An dieser Stelle moechten wir uns (ich hoffe nicht verfrueht ;-)) ganz herzlich bei der Deutschen Botschaft in Moskau bedanken! Nach dem kurzen Daempfer am Sonntagabend (wo immerhin jemand erreichbar war, was eigentlich allein schon lobender Erwaehnung bedarf) hat man uns heute extrem unbuerokratisch, schnell und unkompliziert geholfen. Das gibt einem - im Zweifelsfall auch fuer die Zukunft - doch ein gutes Gefuehl.

Zum Schluss aber noch die Preisfrage: Warum haben wir bei der Einreise keine Immigration Card bekommen? Ganz einfach. Den Damen und Herren an der Grenze sind die Antraege ausgegangen und der Nachschub ist nicht rechtzeitig eingetroffen. Uns darueber aufzuklaeren, welche Konsequenzen das fuer uns hat (drei deutlichst ueber unserem Budget liegende Uebernachtungen und ein sehr zerruettetes Nervenkostuem), hielt man nicht fuer noetig.

Also: Drueckt uns die Daumen, dass der letzte Akt in diesem Drama fuer uns problemlos ueber die Buehne laeuft! Wir werden euch schnellstmoeglich infomieren und euch dann auch ein paar Fotos hochladen (und auch noch ein paar freundlichere bzw. einfach nur andere Geschichten ueber Russland erzaehlen).


Puhhhh....

Es gruessen - immer noch etwas angespannt

Tina und Bjoern

Donnerstag, 5. Mai 2011

Feodossia (UA)

Nach 2.5 faulen Tagen in Odessa, die wir wie bereits angekuendigt mit Strand, Kaffee trinken und Co. vertroedelt haben, waren wir die letzten 5 Tage sehr fahrrad-fleissig und sind bis auf die Krim geradelt. Tatsaechlich werden wir sogar - und das verbluefft angesichts der Willkuerlichkeit unserer Planung niemanden mehr als uns - auf den Tag genau zum Start unseres Russland-Visums diesen Samstag an der Grenze ankommen. Bevor es aber in Richtung Land Nr. 7 geht, hier noch ein paar Worte ueber die Ukraine, angefangen mit der Krim.

Die sei ueberall wunderschoen, hat man uns erzaehlt. "Almost like paradise..." Tja, auch auf die Gefahr hin ukrainische Gefuehle zu verletzen, bleibt uns keine Wahl, als hier vehement zu widersprechen. Mindestens der Norden und - soweit wir das von hier aus ueberblicken koennen - auch der Osten der Krim sind mitnichten paradiesisch. Begruesst wird der Krim-Tourist bei der Fahrt auf die Halbinsel mit alten Industrieanlagen, die seit Jahrzehnten niemand mehr zu benutzen scheint, die sich aber niemand die Muehe gemacht hat abzureissen (dieses Prinzip, wonach Dinge, die nicht mehr genutzt werden, sich selbst ueberlassen bleiben, zieht sich im Uebrigen seit Rumaenien und z.T. auch schon seit Ungarn sehr konsequent durch). Das sieht dann so aus...


Wann hier zuletzt gearbeitet wurde, weiss kein Mensch. Aber wozu eine Abrissbirne bemuehen, wenn sich die Fabrikueberreste so wunderbar in die Landschaft fuegen?
Als naechstes treffen wir auf eine semi-offizielle Muellhalde, deren Bestandteile der Wind weit ueber die Felder traegt.

Nase zu und am besten auch die Augen: Auf dem Weg zur russischen Grenze zeigt sich die Krim nicht sehr idyllisch.
Wir waren bereit, unser erstes Krim-Urteil zu revidieren und hatten gehofft, hier in Feodossia auf einen huebsch aufgemachten Kuesten-Ort zu treffen. Aber Strand, "Promenade" und das Zentrum praesentieren sich eher wie ein zweitklassiger Abklatsch eines drittklassigen Touri-Orts... und sind damit wenig geeignet, uns umzustimmen. Hoffen wir, dass Jalta, Sewastopol und Co. den Besuchern mehr zu bieten haben... Wir werden es wohl nicht erfahren.

Eine Sache, die wir an der Ukraine derweil sehr zu schaetzen gelernt haben, sind die unglaublich guenstigen Lebensmittel-Preise. Ein Laib Brot (und dazu noch ein leckerer ;-)) kostet keine 30 Cent. Vorgesten hatten wir das Glueck, auf eine Pizzeria zu treffen, wo wir fuer 2 Pizzen, 6 (grosse) Bier und Nachtisch weniger als 12 Euro bezahlt. Das Bestellen erweist sich derweil als verhaeltnismaessig schwierig, weil die Menue-Karten erschreckend oft in kyrillischer Schreibschrift verfasst sind und die liest sich im Gegensatz zur Druckschrift deutlich schwerer (davon abgesehen, dass sich auch ein Wort, das wir entziffert haben, uns aufgrund des mangelnden Vokabulars natuerlich noch lange nicht erschliesst ;-)). Wir haben deswegen schon mehrfach voellig willkuerlich auf die Karte gezeigt und einfach "irgendetwas" bestellt. Das macht Spass... aber nicht immer unbedingt satt. Wir bueffeln also besser wieder Vokabeln.

Und wo wir gerade bei kyrrilisch sind: Meine Sorgen um die Tastaturen und wie man hier bloggen soll, waren voellig unbegruendet. Alle Tastaturen sind doppelt belegt und die Standardeinstellung sind lateinische Buchstaben. Sinnig, wenn man bedenkt, dass ja auch Ukrainer, Russen und Co. internationale (und ich glaube sogar auch nationale) Webadressen in lateinischer Schrift eingeben muessen.

So, nun noch eine kleine Bildergalerie, um auch die visuellen Eindruecke der Tage in und nach Odessa nicht zu kurz kommen zu lassen...

Raeder-Check am Schwarzen Meer - keine 100 Meter von unserem Odessa-Hostel :-)
Der Lebensrhythmus von Strassenhunden scheint weltweit identisch zu sein: raufen in der Nacht, schlafen am Tag.
Odessa ist an vielen Stellen huebsch anzuschauen: Hier eine Statue von Katharina der Grossen.
Abschied von Odessa: Nach 2,5 Ruhetagen muss man sich erst wieder ans Rad gewoehnen.
Das geht aber schneller als gedacht - v.a. wenn die Strassenverhaeltnisse mitspielen.
Trotzdem sind die Pausen mit Cola, Kaesebrot und einer reichhaltigen Auswahl an Keksen natuerlich immer am Schoensten :-))
Um euch nicht nur mit Fahrradbildern zu langweilen, hier auch mal ein wenig Kultur.
Die ist im Uebrigen nach wie vor deutlich sozialistisch gepraegt.
Doch noch ein klassisches Fahrradbild zum Abschied (inzwischen mit aufgeschnallter Sicherheitsweste, um ja nicht uebersehen zu werden).
So, nun geht es wieder auf zum Kaeffchen-trinken-Marathon. Bein- und vor allem Po-Entspannung tut Not! Morgen geht es dann straight nach Kertsch, von wo aus wir dann mit der Faehre nach Russland uebersetzen. Sind sehr gespannt!

Liebste Gruesse!

Tina und Bjoern