Montag, 23. Mai 2011

Astrakhan (RUS)

Knapp eine Woche und rund 600 km spaeter: Wir sind in Astrakhan, unserem Grenzpunkt zu Kasachstan, und das zwei Wochen, bevor unser Visum startet. Wir werden uns also noch was einfallen lassen muessen, um uns hier anstaendig zu beschaeftigen (@ Janni: Leider ist kein Strand in unmittelbarer Naehe ;-)). Aber soviel wie sich in der letzten Woche ereignet hat, koennte ich mich auch jeden Tag hier in das kleine Internet-Cafe der Post setzen und euch von unseren Erlebnissen berichten. Um es kurz zu machen: Langweilig geworden ist uns nicht...

Nachdem wir in Stravropol noch einen weiteren Ruhetag verbracht haben, sind wir am letzten Dienstag Richtung Kalmueckien gestartet. Nach ueber 130 km war endlich unser Zielort in Sicht und dort nahm dann das uebliche "Gastiniza"-Such-Drama seinen Lauf: Das erste Hostel, gross und brandneu, war geschlossen. Das zweite ausgebucht (??? nur zu Erinnerung - das war ein kleiner Ort mitten in der Pampa). Aber die Dame im Hostel telefoniert fuer uns rum, findet einen anderen Platz fuer uns, der allerdings so versteckt liegt, dass sie uns den Weg nicht erklaeren kann (wie ueblich: sie spricht kein Englisch und unser Russisch stagniert im bisherigen Basis-Vokabular). Also ruft sie ihren Mann an, der prompt angefahren kommt, um uns den Wegweiser zu machen (sprich er heizt mit dem, was er fuer ein fahrradfreundliches Tempo haelt durch den Ort, und wir versuchen nach einem langen Radtag irgendwie dranzubleiben). In der naechsten Gastinza gibt es nicht nur ein bezahbares Zimmer fuer uns, die Besitzerin laedt uns nach einem mitleidigen Blick auf unsere Essensvorraete (Brot, Kaese, Kekse) erst einmal zu einer leckeren Suppe ein.

Stavropol: "Grosse" Kunst - im wahrsten Sinne des Wortes.

In Stavropol muss man sich aus irgendwelchen Gruenden immer vor Blumen fotografieren lassen. Hier das Foyer unseres Hotels (das deutlich, sehr sehr deutlich luxurioeser ausfaellt als die Zimmer).
Am naechsten Tag wieder eine lange Strecke (140 km): Wetter und Gegend werden immer schoener als wir die "Grenze" zur Republik Kalmueckien erreichen. Angekommen in der Hauptstadt Elista sind wir dann doch sehr ueberrascht, wie fundamental der Unterschied zwischen Russen und Kalmuecken ist. Beinah waehnen wir uns in der Mongolei bei all den asiatischen Gesichtszuegen. Dazu kommen Pagodendaecher, Buddhafiguren und die ueberaus angenehme, heitere Gelassenheit der Kalmuecken. Die sind zwar aehnlich neugierig wie die Russen, laecheln dabei aber immerhin unentwegt ;-)) 
"Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter!" (Buzz Lightyear)
Wir stellen uns langsam auf die kasachsichen Weiten ein.
 
Kurzer Stopp an der kalmueckischen Grenze.
In Elista lernen wir beim Einchecken ins Hotel Heidi und Bernd kennen. Die beiden sind vor drei Wochen zu ihrer voraussichtlich 2-jaehrigen Weltumrundung gestartet (die 2. im Uebrigen ;-)). Dabei setzen sie aber auf etwas mehr PS als wir....
 
Zwei Thueringer auf grosser Tour: Heidi und Bernd.


Im direkten Vergleich nehmen sich unsere sonst so wuchtig wirkenden Raeder irgendwie klein und zerbrechlich aus.
Von Elista aus, wo wir einen sehr netten Ruhetag und zwei noch nettere Abende mit Heidi und Bernd verbringen (endlich mal wieder deutsch sprechen ;-))), geht es dann auf unsere erste laengere Strecke ins Nirgendwo, fuer die wir uns nun auch endlich aufs Wildzelten einstellen muessen. Die kalmueckische Steppe scheint sich endlos zu dehnen und zum ersten Mal seit Patagonien sehen wir ihn wieder, diesen schon fast unnatuerlich ueberdimensionierten Himmel, der das gesamte Blickfeld einnimmt und der Landschaft kaum noch Platz laesst. Schoen...
 
So ein schoener Himmel kann gar nicht gross genug sein.

Schafe und Rinder sind ueberall: Man trifft sie beim Baden....

... ebenso wie beim Tanken.
Obwohl wir im Vorfeld mehrfach gehoert hatten, dass es auf der Strecke Jelista - Astrakhan keine Unterkuenfte gebe, finden wir am Ende unserer ersten Etappe in einem kleinen Ort, dessen einzige Existenzberechtigung in der Verkostung und im Amusement von LKW-Fahreren zu liegen scheint, ein Zimmer. Das soll unglaubliche 350 Rubel kosten. Ein Zimmer in Russland fuer weniger als 9 Euro? Wir koennen unser Glueck kaum fassen und sind durchaus bereit, hierfuer einiges an Komfort-Einbussen hinzunehmen. Tatsaechlich stellt sich im Weiteren heraus, dass das Klo nicht nur nicht im Zimmer und nicht im Gang, sondern nicht einmal im gleichen Haus ist. Nein, wir muessen 200m weiter zum Klohaeuschen laufen, wo ein Besuch fuer guenstige 10 Rubel (25 Cent) zu haben ist. Das nenne ich mal "authentisch reisen" ;-))

Idyllische Unterkunft inmitten von wild parkenden LKW.

Pause in einer impovisierten Kaffeebar, die in einem altem Container aufgebaut wurde: Kartoffel-Piroggen und Cola staerken fuer die naechsten Kilometer.
Am Ende von Tag zwei unserer Steppentour gibt es tatsaechlich keine Unterkunft und wir suchen uns einen schoenen Platz, um unser Zelt aufzustellen. Die grosse Herausforderung liegt hierbei darin, einen Ort zu finden, von wo aus das Zelt von der Strasse nicht gesehen werden kann. Und das in einem groesstenteils topfebenen Land, das weder Baeume noch Buesche zu bieten hat. Aber wir haben Glueck, finden eine Bodenwelle, die Sichtschutz bietet - dummerweise ist das, was wir fuer einen halbvergessenen Feldweg halten, eine regelmaessig frequentierte lokale Strasse, so dass doch noch der ein oder andere Dorfbewohner auf uns aufmerksam wird. Aber man laesst uns in Ruhe und so schlafen wir...


Wie ging das nochmal? Nach 5 Wochen koennen wir endlich wieder unser Zelt aufbauen.
... bis zum Morgengrauen. Puenktlich zum Sonnenaufgang stehen wir auf, roedeln wir ab und machen uns nach einem kleinen Fruehstueck auf den Weg. Rekord: Um 7 Uhr frueh waren wir noch nie auf den Raedern. Und damit starten wir in den laengsten Radtag unserer bisherigen Reise-Historie. Die ersten 5 Stunden blaest uns wieder mal kraeftiger Ostwind ins Gesicht. Zu diesem Zeitpunkt haben wir den Plan, das 130 km entfernte Astrakhan zu erreichen schon aufgegeben. Wir kommen einfach zu langsam voran. Aber - grosse Ueberraschung - es ist ein Campingplatz ausgeschildert, der 20 km vor der Stadt liegen soll. Diesen erreichen wir mit viel Muehe, nur um festzustellen, dass sowohl Camping als auch die dazu gehoerige Gastiniza geschlossen sind. Die naechste Feststellung: Astrakhan ist nicht 20, sondern 30 km entfernt. Also mobilisieren wir die letzten Kraefte (nunmehr knapp 8 Stunden netto im Sattel), quaelen uns durch ebenso abgeranzte wie mueckenintensive Vororte und erreichen nach unserer ersten Wolga-Ueberquerung Astrakhan. Nur um dort festzustellen, dass alle Hostels, die wir auf unserem Plan haben, entweder inexistent oder geschlossen sind oder gerade renvoviert werden.

Es wird dunkel... und die Stimmung sinkt. Da haelt ein Mercedes neben uns, ein Mann steigt aus, stellt uns seine ebenfalls im Auto befindliche Familie vor und verspricht uns - auf die inzwischen altbewaehrte Methode  (s.o.) - uns zu einem Hostel zu lotsen. Also wieder eine Tempoeinheit am Ende des Tages. Das erste Hostel hat geschlossen und nun wirds komplizierter. Aber Alexandr, so der Name unseres Retters in der Not, packt einfach Bjoern ins Auto, faehrt mit ihm weitere Laeden ab. Nachdem sie fuendig geworden sind, kommen sie zurueck und Bjoern und ich fahren mit dem Rad zum Hostel, das wir schliesslich - nach 9,5 Netto-Stunden voellig geschafft erreichen. Dann muessen wir nur noch den ueblichen Registrierungswahnsinn (jede einzelne Seite aus unserem Pass wird kopiert, inklusive aller alten Suedamerika-Stempel - die Angst, einen Fehler zu machen und in der Folge seine Lizenz zu verlieren, scheint gross zu sein) hinter uns bringen und koennen uns endlich Dusche und Essen widmen...

Erste Astrakhan-Erkundungstour an der Wolga.
Fuer heute Abend hat uns Alexandr nun zu seinen Motorrad-Freunden eingeladen. Und wie es der Zufall will, sind auch Bernd und Heidi auf dem Weg nach Astrakhan (wenn der Hintergrund auch ein sehr aergerlicher ist, da sie nicht wie geplant ueber den Kaukasus ausreisen konnten). Wir sehen uns also einem lustigen Abend entgegen :-)

Euch allen einen schoenen Wochenstart!

Es gruessen aus dem irrsinnig heissen Astrakhan

Tina und Bjoern

6 Kommentare:

  1. Vielen Dank für diesen versüßten Montag!
    Da können wir uns ja die nächsten Tage auf weitere Berichte freuen, wenn ihr eh nix zu tun habt, jippie!

    Ganz liebe Grüße aus Köln

    JuT

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  2. wow, das hört sich nach genau dem an, was ihr Euch so vorgestellt habt... ich bin neidisch!!!
    Freu mich auf weitere news!

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  3. Hallo Ihr beiden. Super endlich wieder eine Mail von Euch. Jedes Mal lesen wir den Blog mit Spannung. Super das Ihr so nette Leute trefft. Das macht das Leben doch ohne viele Sprachkenntnisse liebenswerter. So wie es aussieht seid Ihr ja glücklich und zu frieden
    Weitere Info per Mail
    Ma und Pa

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  4. Also bei 2 Wochen Zeit bis zur Einreise nach Kasachstan könnt ihr doch locker mal runter zum Kaspischen Meer radeln und euch ein paar Tage an den Strand legen. Ansonsten ist Grosny auch gar nicht sooo weit weg, ist bestimmt auch mal interessant ;-). Oder ihr organisiert euch schnell noch mal ein aserbaidschanisches Visum und checkt schon mal Baku aus, damit wir hier wissen ob wir nächstes Jahr eine Anreise zum Grandprix lohnt.

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  5. Eure Fotos sind Zucker!!! Vor allem das Blumenbild! Zum Knuddeln!!!

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  6. Suuuper - das sind Bilder wie bei GEO ;-) nur viel schöner :) Wir würden gerne dabei sein ;-)) Schaut Euch doch mal den Kaspisee an - wenn er denn noch da ist. Ansonsten wünschen wir Euch weiterhin 14 Prozent Gefälle und immer Rückenwind.
    Grüße aus Kellerhöhe
    Ilona & K-H

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