Freitag, 19. August 2011

Yangquang (CHN)

Wo sollen wir bloss anfangen, nach nunmehr 5 Tagen China auf dem Rad...?

Vielleicht zuallererst einmal: Es ist uns tatsaechlich gelungen, Beijing mit dem Rad unbeschadet (und tatsaechlich noch nicht einmal ueber alle Massen gestresst) zu verlassen. Der Grund hierfuer liegt in den eigens angelegten Radwegen, die - von der Strasse abgetrennt - durch nahezu alle Staedte fuehren und ebenso auch entlang der meisten grossen Strassen ausserhalb zu verlaufen scheinen. Damit bleibt den Radlern, Rollerfahrern und all den anderen, zum Teil undefinierbaren motorisierten Gefaehrten eine eigene Spur (auf der es allerdings die meiste Zeit ebenso chaotisch zugeht wie auf der Autospur). Mit dieser feinen Einrichtung erschoepfen sich allerdings auch schon die positiven Aspekte, die das Radfahren in China bisher so mit sich bringt....

Ansonsten koennen wir bislang nicht allzuviel positives konstatieren. Oder eher sogar das Gegenteil... Zumindest fuer die beiden bislang von uns bereisten Provinzen Hebei und Shanxi gilt: China ist voll, laut und schmutzig. Das klingt nun natuerlich arg, aber was wir in den vergangenen Tagen auf den Strassen erlebt haben, laesst leider kein positiveres Fazit zu. Bislang halten uns im Prinzip drei Dinge aufrecht: Die Hoffnung, dass sich die Situation Richtung Sueden ein wenig entspannt. Der Gedanke, dass auch stressige Reisetage viele spannende Erfahrungen bereit halten. Und -  sehr, sehr wichtig - der im Vergleich zu Kirgistan, Kasachstan, Russland und Co. sehr hohe chinesische Hotelstandard (unten findet ihr ein Foto unseres bisherigen Highlights... ein 50qm-Zimmer, dessen Dusche einen kompletten, mit einer Glaswand vom Schlafzimmer abgetrennten Raum einnahm... sehr chic - und das fuer nur 240 Yuan, rd. 25 Euro :-)).

Den Luxus, den wir uns abends goennen, brauchen wir aber auch dringendst, um uns vom Stress der Tage zu erholen. Zum einen vom unglaublichen Krach. Der scheint fuer Chinesen eine Art Lebenselexier zu sein. Diesen Hang leben sie im Strassenverkehr in der Form aus, dass sie unentwegt hupen. Und damit meine ich nicht einfach, dass sie "aus den nichtigsten Anlaessen" hupen. Denn fuer unsere europaeischen Augen ist oft absolut gar kein Anlass zu erkennen. So verlangt fuer einen Chinesen auch ein simpler Ueberholvorgang auf einer uebersichtlichen, vierspurigen Strasse nach einem frenetischen Hupkonzert. Und die Hupe scheint das erste zu sein, dass hier an einem Fahrzeug ordentlich gepimpt wird... Die Bedeutung der Hupe steigt umso mehr, als sie eine Blankovollmacht zu sein scheint, Verkehrsregeln beliebig ausser Kraft zu setzen. Sprich: Es ist in China augenscheinlich voellig in Ordnung, ohne nach links oder rechts zu gucken gegen die Fahrtrichtung auf eine voll befahrene Bundesstrasse (so mal als Vergleich) zu fahren - so lange man dabei nur mit ebenso lautem wie anhaltendem Hupen auf sich aufmerksam macht. Das zehrt ueber kurz oder lang doch sehr an den Nerven...

Dann die Menge des Verkehrs. Der ist natuerlich in keiner Weise mit dem vergleichbar, was wir bisher erlebt haben. Kaum verwunderlich soweit, bedenkt man die Bevoelkerungsdichte. Trotzdem uebersteigt die Anzahl der LKW, die wir hier bisher zu Gesicht bekommen haben, jede Vorstellung. Dass die Trucks keineswegs zum Spass durch die Gegend schippern, wird deutlich, sobald man in eine der diversen chinesischen Staedte einfaehrt. Denn in jeder einzelnen hiervon sind mindestens 20, 30, 40 oder mehr Hochhaeuser in Bau. Und das zu den diversen Plattenbauten, die hier ohnehin schon stehen. Nun gut, irgendwo muss man die 1,3 Milliarden Chinesen ja unterbringen, aber irgendwie draengt sich einem dennoch der Gedanke an Massentierhaltung auf...

Und zuletzt: der Schmutz. Das meint nicht nur den Muell, der links und rechts der Strasse froehlich vor sich hinrottet, sondern vor allem auch die Luft. Schon in Beijing waren wir nie ganz sicher, ob die geschaetzten 200-300m Sichtweite auf Dunst oder doch auf Smog zurueckzufuehren waren. Nachdem sich die Situation ausserhalb der Stadt nicht gebessert hat, haben wir die Nebelschleier mal auf das feuchtwarme Klima geschoben. Aber inzwischen machen sich Zweifel breit, denn schon mittags kratzt uns die Lunge und spaetestens dann hat sich ein feiner graeulicher Belag auf unserer Haut angesammelt. Bis vorgestern war die Situation dennoch ertraeglich, aber mit der Einfahrt nach Shanxi, in dem ein Grossteil von Chinas Kohle abgebaut und verbrannt wird, sehen wir buchstaeblich schwarz. Der Schmutz, der sich hier auf unseren Armen, Beinen, Klamotten und v.a. Lungen verfaengt, ist ebenso unangenehm wie hartnaeckig (siehe Fotos unten... mein schoenes weisses Shirt... so wird man hier zum shoppen genoetigt...). Wir hoffen, dass der Regen der gestern eingesetzt hat, ein wenig Linderung bringt. Ansonsten sehen wir zu, dass wir die Provinzgrenze schnell hinter uns bringen.

Wenn wir diese ganzen Stressfaktoren halbwegs unbeschadet (immer mal abgesehen von den nachhalten Beeintraechtigungen unseres Nervenkostuems, unserer Lungen und unseres Trommfells) ueberstanden haben, goennen wir uns abends wie gesagt, ein nettes Hotelzimmer. Aber auch das ist nicht immer leicht. Denn dann kann es einem passieren, dass ein Hotel mit Namen "XXXX International" keine Gaeste aus dem Ausland aufnimmt. Bzw. nur unter der Bedingung, dass diese sich selbst um die notwendige Registrierung beim zustaendigen Amt kuemmern (fuer uns ein No-Go-Kriterium). In jedem Fall muss man sich damit herumschlagen, dass auch in grossen Hotels in X-Mio-Einwohner-Staedten keiner der diversen Angestellten englisch spricht, so dass man als Antwort in aller Regel nur ein nervoeses Kichern erhaelt.

Und das bringt mich nun zum letzten Punkt dieser Tirade. Auch in diesen vielen grossen Staedten scheint niemand je einen Nicht-Asiaten zu Gesicht bekommen zu haben. Wir sind eine Raritaet - und das kriegen wir durchweg zu spueren. Dass Menschen sich mit uns fotografieren lassen wollen (oder ihre voellig veraengstigten Kinder dazu zwingen), ist ja noch eine Sache. Aber dass sich die Leute auf der Strasse anstossen, auf uns zeigen, im Restaurant das Essen einstellen, wenn sie uns sehen... das ist auf die Dauer doch ein wenig anstrengend.

So, nun aber genug der boesen Geschichten. Es soll auch nicht unerwaehnt bleiben, dass uns schon viele, viele Chinesen sehr geholfen haben und sehr nett zu uns waren (wieder ein Autofahrer, der uns Wasserflaschen geschenkt hat; Hotelangestellte, die sich ein Bein ausreissen, um uns trotz Verstaendigungsschwierigkeiten weiterzuhelfen; ein Braeutigam, der uns zu seiner Hochzeitsfeier eingeladen hat etc.). Nun muessen wir uns nur noch an den Krach gewoehnen, hoffen, dass die Luft mit dem Verlassen von Shanxi besser wird und entweder lernen uns an der Aufmerksamkeit, die wir aller Orten hervorrufen zu erfreuen oder diese zu ignorieren.

In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass dieser Blogeintrag sich nicht auf die Visaverlaengerung auswirkt, die wir Ende naechster Woche beantragen muessen... ;-)

Ein klein wenig entnervte, aber dennoch optimistische Gruesse senden euch

Langnasen-Tina & Langnasen-Bjoern

3 Kommentare:

  1. Hei Langnasen-Radler ;-) schön von Euch zu lesen :) Wir konnten feststellen, dass Ihr aller Widrigkeiten zum Trotz, Euren Humor bewahrt habt. Tja und wenn's mal ganz dick kommt (von der Luft) - dann einfach Atem anhalten und mit Vollgas durch ;-) Doch bestimmt habt Ihr schon eine chinesische Apotheke gefunden, die Atemschützer verscherbelt. Ach ja, auf den Bildern konnten wir Euch auch nicht als Nicht-Asiaten erkennen ;-))) Grüße aus Langnasenland Ilona & Karl-Heinz

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  2. Na also, nach einer spannenden Etappe kommt die nächste,spannendere Etappe und so weiter,war ein wenig Spannung, Erlebnisse,Rückschläge und wieder und wieder Freude am Erlebten nicht gewollt?Ihr vermittelt uns durch die Berichte den Eindruck als wären wir selber Unterwegs,obwohl wir auch mit-leiden in der Hoffnung auf das nächste ,etwas Schönes.Nun ja nach dem Motto; da möt wi dör,wünschen wir Euch ,die Cloppenburger Rentner alles erdenklich Gute,macht weiter so,mit Spannung auf den nächsten Blog.Nebenbei, hier ist alles Paletti.
    Bis dann Pa und Ma

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  3. ja, da kann ich doch auch nur zum Atemschutz raten. Im Fernsehen sieht man die ganzen Chinesen ja auch immer damit rumlaufen. Ansonsten fragt doch mal beim nächsten Traditionelle-Chinesische-Medizin-Laden nach, ob die nicht etwas eingelegte Schlange oder obskure Kräuter gegen Staublunge haben.

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