Nun also endlich unsere erste Nachricht aus Rumaenien - damit ihr nicht noch denkt, dass wir hier in Transsilvanien Vampiren oder Werwoelfen zum Opfer gefallen sind (danke fuer den Hinweis, Ingo ;-)). Viel wahrscheinlicher waere es in jedem Fall, von einer Herde Schafe zu Tode getrampelt zu werden oder in einem der diversen Schlagloecher verschuett zu gehen.
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Bjoern stellt sich einer der hundert, ach was sag ich, tausendfachen Schafherden. |
Neben Schafen und Schlagloechern gibt es hier ansonsten einen Haufen LKW und Strassenhunde. Erste umgehen wir, in dem wir uns von den Hauptstrassen fern halten, zweitere sind omnipraesent und daher unvermeidlich - gluecklicherweise aber zumeist von eher unterwuerfiger Natur (wobei wir schon das ein oder andere Mal auch boese angefletscht wurden).
Was das Umgehen der grossen Strassen betrifft: Dies verlangt uns nicht selten groesste Opfer und noch mehr Arbeit ab. Denn alles, was auf unsere Karte als "Strasse 3. Kategorie" eingetragen ist, kann so ziemlich alles sein: von uebelster Sandpiste ueber Schotterweg bis hin zu schwer definierbaren Grasschneise, die eher einem Crossmotorrad-Park entsprungen scheint.
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Steiler und sandiger als gedacht: Strassen und ihr Ueberraschungsmoment. |
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Das kommt v.a. dann zum Tragen, wenn es kurz zuvor gerregnet hat. |
Diese Wege kosten zwar viel Kraft, aber fuehren einen dafuer immer wieder an die unerwartetsten Ecken. An unserem 2. Radtag hier sind wir so durch mehrere Doerfer gekommen, die so weltabgeschieden und einsam zwischen den Huegeln liegen, dass man sich unvermittelt ins 19. Jahrhundert zurueckversetzt waehnt. Dabei beschleicht einen das Gefuehl, sechs Beine und Antennen am Kopf zu tragen - denn waeren wir E.T., die Leute koennten uns nicht erstaunter anschauen (und mit "schauen" meine ich, nachhaltiges und durchdringendes Anstarren). Oft genug folgt dem Blickkontakt dann aber auch ein hoefliches Nicken, das wir natuerlich gerne und ueberschwaenglich (letzteres mehr ich als Bjoern ;-)) erwidern. Die Orte als solches sind ansonsten extrem laendlich gepraegt: Das Pferd grast vor dem Haus, der Bauer treibt seinen Eber durch die Strasse, Pferde-Fuhrwerke und Autos (Dacias!) bilden eine traute Einheit und ueberall schwirren Huehner und Hunde durch die Gegend.
Was uns dabei in den letzten Tagen immer wieder besonders ins Auge gesprungen ist, ist der scharfe Kontrast in den Einkommensverhaeltnissen. Gut situiert und bettelarm leben quasi Tuer an Tuer. Besonders intensiv war dieser Eindruck vorgestern in einem kleinen Ort an der Mura. Blick nach links: Rumaenische Mittelklasse-Haeuser mit dem unvermeidlichen Dacia vor der Tuer. Blick nach rechts; ein kleiner Fluss - und dann Slums... Kinder, die buchstaeblich im Muell spielen. Das gleiche gilt fuer ganze Orte. Wir fahren durch ein huebsch aufgemachtes Dorf, das ganz offensichtlich darauf hinarbeitet, kuenftig auch einen Teil vom Touri-Kuchen abzubekommen. Nur zwei Kilometer weiter, eine kleine Strasse den Berg hoch, auf die wir relativ versehentlich geraten sind, stossen wir auf eine Bretter-Stadt, in der Hunderte von Menschen unter mehr als einfachsten Verhaeltnissen leben. Heute wiederum kommen wir in Sibiu (zu deutsch: Hermannstadt) an, das mehr als praechtig anzuschauen ist mit seiner historischen Innenstadt und den pittoresken Strassen. Dieser stete Wechsel ist etwas, was wir in dieser Form noch nirgendwo gesehen haben, und was uns doch so manches Mal sehr verbluefft.
Unsere momentane Strategie, uns ein wenig treiben zu lassen, die Streckenplanung im 30-Minuten-Takt anzupassen und hoechstens die grobe Richtung im Auge zu behalten, garantiert derweil, dass keine Langeweile aufkommt. So z.B. gestern: Ganz und gar ungeplant kamen wir in einem Ort namens Calnic an. Da es hier eine Burg gibt, die immerhin zum Welterbe zaehlt, hofften wir auch eine Unterkunft zu finden. Das einzige Hostel im Ort befand sich allerdings noch im Bau, von einem Camping (wie leider so oft die letzten Tage) weit und breit keine Spur. Aber, so der (zukuenftige) Hostel-Besitzer, es gaebe da noch eine Alternative. In der Burg gaebe es ein Zimmer, in dem wir uebernachten koennten. So kam es dann, dass wir gestern Nacht tatsaechlich eine ganze Burg unser Eigen nennen konnten.
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Da freut sich der Bjoern: Alles meins :-) |
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Und nicht zu vergessen: Der Ausblick aus unserem Fenster in den "Innenhof". |
Um unser Glueck komplett zu machen, haben wir dann noch ein Original rumaenisches Osteressen (quasi von Muttern gekocht) serviert bekommen. Da Restaurants in den Orten hier selten bis nicht vorhanden sind und wir uns bislang von Brot ernaehrt haben, war dies (kombiniert mit dem selbstgebrannten Schnaps) eine willkommene Abwechslung ;-)
Aber nun sind wir ja in der grossen Stadt - und werden dies gleich mit Pizza und Bier zelebrieren. Ab morgen geht es dann weiter Richtung Brasow. Die Haelfte von Rumaenien liegt schon hinter uns...
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Ein Prost zum Post-Abschied: Wir stossen standesgemaess mit 2.5-Liter-Flaschen an. |
La rewedere!
Tina und Bjoern
P.S. Nicht zu vergessen haben wir mit der Uberquerung der rumaenischen Grenze auch unsere erste Zeitgrenze hinter uns gelassen. Wir haengen euch nun eine Stunde hinterher.
P.P.S. Und noch weniger zu vergessen: Ein dickes DANKE fuer eure Kommentare! Freuen uns immer sehr darueber!